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Der neue Flügel,

ob Steinway, Bechstein oder Co. frisch aus der Fabrik für viele Klavierliebhaber der große Traum.

Ibach 180 07

In der Rubrik gebrauchte Flügel hatte ich angefangen, auch einen Abschnitt zu fabrikneuen Pianos zu schreiben. Da der Abschnitt viel zu lang wurde, schien mir ein eigener Beitrag als passend. Wir handeln nicht mit neuen Flügeln, auch haben wir bisher keine eigenen neuen Flügel gebaut. Warum? Erstens als Händler neuer Instrumente wäre ich an Marken gebunden und hätte weniger Möglichkeiten die Instrumente den individuellen Bedürfnissen meiner Kunden anzupassen. Zweites scheint es mir nicht sinnvoll einen eigenen Flügel zu bauen, der so oder so ähnlich schon existiert. Da gibt mir die Fülle an alten Instrumenten wesentlich größeren Handlungsspielraum. Nichts desto trotz macht der neue Flügel für manche am meisten Sinn.


Für viele Klavier-Begeisterte ist es ein Traum, sich einmal im Leben einen neuen Flügel zu kaufen. Darin schwebt auch ein bisschen der Wunsch, dass ein fabrikneuer Flügel wohl das größte ist. Ja der Flügel ist optisch perfekt und man darf der erste sein der darauf spielt, aber geht es eigentlich darum? Ich hoffe mal, dass dem Käufer noch ein langes Leben geschenkt wird und er so lange Freude an seinem Flügel hat. Also sollte der Flügel auch mindesten 20-30 Jahre lang seine ursprünglichen Qualitäten bewahren. Wer will schon einen Flügel kaufen, von dem er weiß, dass dieser von nun an nur noch schlechter wird? Ja für Kratzer ist man selbst verantwortlich, aber der Klang kann einem doch einen Strich durch die Rechnung machen. Oft bekommen wir zu hören: „dass der Flügel nach Jahren nicht mehr so frisch klingt und ob man da nicht was machen könnte?“ Ja und nein, je nach dem woran es genau liegt. Erstmal hilft es, wenn man sich mit dem Werdegang eines solchen Instruments beschäftigt. Vor dem erstmaligen Verkauf des Flügels wird dieser aufwendig reguliert und intoniert, um ein möglichst gleichmäßiges Klangbild zu zeigen. Um die Regulation und Stimmhaltung zu stabilisieren, werden die Flügel häufig „eingepaukt“, also von einer Maschine bespielt. Ich würde dies nicht als Einspielen im musikalischen Sinne verstehen, dafür ist der Vorgang zu kurz und vielleicht zu weit weg von unserem Harmonie-Verständnis.
Der Flügel hat frisch aus der Fertigung sehr viel Kraft, ist sehr laut, auch die Dynamik im Forte ist sehr stark. Das sind gute Voraussetzungen für einen Konzertflügel für große Säle. In Messungen konnte ich feststellen, dass es Resonanzboden-Moden gibt, die bei ganz neuen Flügel schwer ansprechen. Sprich, es gibt Frequenzen, die erst mit der Zeit vom Resonanzboden verstärkt oder abgestrahlt werden. Diese klangliche Schieflage hatte man ursprünglich versucht, mit einer aufwendigen Intonation zu kompensieren. Ich denke, erst nach ein paar Jahren musikalischer Nutzung stellt sich der bleibende Charakter eines Instruments heraus. Der feine Obertonaufbau und die Nuancierung im Pianissimo sind meiner Ansicht nach mindestens so wichtig wie Dynamik und Forte. Das ist zwar ein Dilemma für Flügel im Konzerteinsatz, weil Tonschönheit und Dynamik im Fortebereich sich aneinander vorbei entwickeln, aber in den meisten Fällen geht es ja um eine private Nutzung. Insbesondere in Wohnräumen ist das Instrument in der Regel eher zu laut als zu leise.
Zurück zur Frage: „ob man da nicht was machen könnte?“ Das lässt sich nur bedingt mit „JA“ beantworten, denn letztlich kann man nur wieder das machen, was im Werk schon versucht wurde: regulieren und intonieren. Findet man einen Hammerkopf, der klanglich besser gefallen könnte, ist auch dies eine Variante. Da aber viel Klangformung von der Akustik ausgeht und man in diese bei jungen Instrumenten kaum eingreifen möchte, sind die Möglichkeiten beschränkt.
Etwas anders verhält es sich wohl mit älteren Instrumenten, denn es ist davon auszugehen, dass die Veränderungen durch Alterung mit dem Alter immer langsamer ablaufen. Findet man einen 30 Jahre alten Flügel der einem sehr zusagt, wird sich dieser in den Folgejahren klanglich kaum verändern. Es ändert sich vielleicht der eigene Geschmack, oder das Instrument wird nach Jahren der nicht Nutzung nun erneut eingespielt, aber von großen Überraschungen ist da mal nicht auszugehen.
Es ist wichtig diese Aspekte zu beleuchten. Immerhin geht es ja zumeist um sehr viel Geld, besonders im Vergleich von neuen zu gebrauchten Instrumenten. Zweifelsohne haben neue Flügel ihren Stellenwert, insbesondere im Konzerteinsatz. Dabei wird auch oft betont, dass ein neuer Konzertflügel häufig nur 10 Jahre auf den Bühnen genutzt wird, also genau in der Zeit, wo die Dynamik und Tontrennung im Forte besonders stark ist.
Viele unserer Kunden entscheiden sich ganz bewusst für einen alten Flügel, oft auch, weil sie mit der klanglichen Entwicklung neuer Instrumenten schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ich kann den Traum des neuen Flügel gut nachvollziehen und es erscheint ja auch erstmal schlüssig, sich bei der Suche nach etwas Gutem auch für etwas Neues zu entscheiden. So kann ich vielleicht als Tipp noch mit auf den Weg geben, sich möglichst viele Flügel verschieden Alters und Zustände anzuhören, um sich so die klanglichen Entwicklungsmöglichkeiten vorzustellen. Dabei ist es wichtig, nicht nur zu definieren, ob einem der Ton gefällt oder nicht, sondern herauszuhören, was am Klang nun typisch altersspezifisch ist.