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Episode 6: Von der Taste zum Ton!

Die Duplex-Skala

Vorderduplex Steinway & Sons FlügelEs gibt solche kleinen Details, die erst einmal gar nicht weiter auffallen. Sind sie jedoch einmal im Bewusstsein werden diese Kleinigkeiten bedeutsam. Mir sind in diesem Zusammenhang einige solcher Details in den Sinn gekommen. Anhand 10 kleiner Episoden verfolgen wir den Impuls vom Finger durch den Flügel bis ins Ohr.

Im vorherigen Beitrag war ja bereits zu sehen, dass der Impuls in der Saite während der Dauer des Hammeranschlags bereits ein paar Mal reflektiert wird. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Welle in der Saite ausbreitet, liegt so ca. bei 350 m/s, das bedeutet für die Dauer des Anschlags bereits einen zurückgelegten Weg von knapp einem Meter.

Schlägt man den Kammerton an und lässt die Saiten eine Sekunde klingen, so wird der Impuls naturgemäß 880 mal reflektiert. Dies ist insofern sehr interessant und nicht nur langweilige Theorie, da sich nun jeder vorstellen kann, wie entscheidend das Reflexionsverhalten von Steg, Agraffe und Kapodaster ist.

Die Knickstellen der Saite bestimmen die eigentliche schwingende Länge, aber ein Teil des Impulses wird durch den Knick nicht reflektiert, sondern wandert in der Saite weiter. Dahingehend unterscheidet sich die reale Saite von der Theorie. Zum Steg hin ist dieser Teil der Energie verloren und wird von der Reibung am Steg akustisch unbrauchbar. So gesehen ein Hinweis darauf, wie wichtig hier die Wahl des richtigen Materials ist. In die andere Richtung begrenzen Agraffe oder Kapodaster die Saitenlänge. Gelangt nun ein kleiner Teil der Energie vom Hammeranschlag hinter diese Begrenzung, ist dort oft eine Duplex-Skala. Diese ist im Prinzip wieder eine schwingende Saite, nur deutlich kürzer als die Hauptsaite. In diesem vorderen Duplex baut sich nun eine Schwingung mit Phasenbezug zur Hauptsaite auf. Dies verändert die weitere Energieabsorption der Hauptsaite, welche nun durch die Länge der Duplexsaite frequenzabhängig ist. Wie sehr der Vorderduplex zur Hauptsaite in Verbindung steht hört man, wenn man die Duplex-Skalen anzupft. Kann man dies an verschiedenen Flügeln ausprobieren, hört man auch, dass es hier große Unterschiede gibt. Insbesondere bei den kurzen Diskantsaiten ist es sehr wichtig mit der schwer zu speichernden Energie gut zu haushalten. Bei den längeren Saiten von Bass und Mittellage wird auf eine Duplex-Skala meist verzichtet, u.a. auch weil die deutlich dickeren Saiten dort nicht mehr schön klingen.

Heute hat fast jeder Flügel eine an an die Steinway‘sche Erfindung erinnernde Duplexskala verbaut. Bei einigen neuen und vielen alten Flügeln machen diese Skalen-Saiten aber Probleme. Und zwar erzeugen einige der besonders langen Duplexchöre zu extreme Obertöne. Man sieht daher häufiger, dass diese Skalen mit einem Filzband nachträglich abgedämpft wurden. Diesem Problem sind die anderen Hersteller früher anders entgangen. Wahrscheinlich nicht zuletzt wegen des Steinway‘schen Patentes, sind bei den alten Flügeln häufig nur einzelne Druckstäbe pro Feld verbaut. Dadurch hat man auch einen einfachen Vorderduplex. Dieser ist nicht pro Ton unterschiedlich lang, hat aber dagegen ein gleichmäßigeres Klangbild. Selbst eine feste Filzzulage erzeugt eine gewisse Duplex-Skala, daher ist die genaue Position der Filzzulage auch klangprägend.

Die hinteren Duplex-Skalen, die sich hinter dem Steg in Richtung Plattenstifte erstrecken, sind hübsch anzusehen aber weit weniger klangprägend als die vorderen. Ich vermute, dass man bei neuen Flügel die im Diskant ohnehin ein schwaches Sustain haben, von hinteren Duplex viel erhofft. Alte Flügel verzichten hierauf meist und haben trotzdem einen zauberhaften Diskant.

Geschichtlich ist die Entwicklung der Duplex-Idee recht interessant, da Theodor Steinweg hier auf die Forschungen von Hermann von Helmholtz Bezug nimmt. Mehr dazu bietet das deutsche Museum auf ihrer Website. https://digital.deutsches-museum.de/de/digital-catalogue/collection-object/2009-477/

Vordere Duplex-Skala Steinway & Sons modernere AusführungVordere Duplex-Skala eines Blüthner Flügels