Episode 5: Von der Taste zum Ton!
Der Hammeranschlag
Es gibt solche kleinen Details, die erst einmal gar nicht weiter auffallen. Sind sie jedoch einmal im Bewusstsein werden diese Kleinigkeiten bedeutsam. Mir sind in diesem Zusammenhang einige solcher Details in den Sinn gekommen. Anhand 10 kleiner Episoden verfolgen wir den Impuls vom Finger durch den Flügel bis ins Ohr.
Eine erste mathematische Näherung, welche in Form einer Differentialgleichung das Schwingverhalten der Saiten beschreibt, war auch schon vor 100 Jahren bekannt. Man konnte für Kraftanregungen, wie das Anzupfen oder das Streichen mit einem Geigenboden, recht gute Lösungen für die Saitenschwingung bekommen.
So war es auch schon früher, zumindest einigen schlauen Köpfen, vorstellbar was hier physikalisch passiert. Mir ist nicht bekannt, seit wann man genau die Erregung der Saite durch den Hammeranschlag nachvollziehen konnte. Mir persönlich war dies nur mit Numerik möglich, sprich mit der Hilfe von Computern. So gesehen wussten Helmholtz und Co. wahrscheinlich nicht genau, wie der Hammer die Saite zum schwingen bringt. Das „wie“ ist allerdings entscheidend, um den Obertonaufbau zu verstehen.
Erst einmal denkt man bei einem Hammerschlag an einen gleichmäßigen Kraftimpuls, sprich die Kraft steigt erst an und dann wieder ab. Sie beschreibt dabei so eine Art parabelförmige Kurve. Dem wäre auch so, wenn der Hammer gegen einen festen Gegenstand schlagen würde. Die Saite aber gibt nach, wenn der Hammer sie berührt. Sie gibt aber auch nicht gleichmäßig nach, sondern gewissermaßen Wellenförmig. Das liegt daran, da der Anfang des Impulses bereits eine Schwingung der Saite veranlasst. Wandert nun ein Impuls in der Saite, wird dieser an der Agraffe und am Steg reflektiert und kommt zurück zum Hammer, dieser drückt immer noch gegen die Saite, welche nun aber in die andere Richtung schwingen will. Auch wenn man jetzt schon den Überblick verloren hat, kann man sich vorstellen das Hammer und Saite gegeneinander schwingen. Das hängt übrigens von vielen Faktoren ab. So spiegeln sich sämtliche geometrische Einflüsse der Mensur und des Hammerkopfes in Form des resultierenden Obertonaufbaus wieder. Ich versuche hier die wichtigsten einmal aufzuzählen: Das sind zunächst die Masse des Hammerkopfs und des Saiten-Chors, die Federsteifigkeit des Hammerkopfs, Länge, Dicke, E-Modul der Saite sowie der Anschlagspunkt. Für den Impuls muss natürlich auch die Geschwindigkeit des jeweiligen Anschlags berücksichtigt werden. Diese ist naturgemäß variabel.
Der Hammeranschlag ist sehr kurz, im Mittel etwa 1-3 Millisekunden. Das ist natürlich extrem wenig, verglichen mit der tönenden Gesamtdauer von möglicherweise einigen Sekunden. Daher nehmen wir den Anschlag nicht so sehr einzeln, sondern mehr als Initiator des Nachklangs wahr. Der Nachklang selbst wird massiv durch den Resonanzboden beeinflusst, der kurze Anschlag aber kaum.
Mit heutiger Messtechnik lässt sich die Saitenanregung hochauflösend darstellen. In den Abbildungen 1 und 2 sind im Vergleich ein leichter und ein kräftiger Anschlag zu sehen. Die Beschleunigung ist am Hammerkopf gemessen, die Saitenanregung beschreibt dagegen das, was in der Saite passiert. Auf dem Foto oben sieht man, wie die Saitenanregung gemessen wird. Für mich war es sehr faszinierend diese Details zu entdecken. Nun ist auch klar, dass die innere Reibung für einen in sich schwingenden Hammerkopf so entscheidend ist. Eine Eigenschaft, die meines Wissens nach in der Klavierbauindustrie nicht einmal gemessen wird. Da ist noch Luft nach oben!
Ich wünsche Allen eine schöne Weihnachtszeit.
LG Jared
Abbildung 1: Leichter Hammeranschlag
Hammer und Saite berühren sich nur ca. 0,0025 Sekunden, was danach bei der Beschleunigung zu sehen ist, beschreibt das Ausschwingen des Hammerstils. Die Schwingung der Saite dagegen dauert weiter an. Es ist bei der Beschleunigung deutlich zu sehen, wie stark der Hammerkopf in sich schwingt.
Abbildung 2: Kräftiger Hammeranschlag
Die Anschlagsdauer, während der die Energie vom Hammer an die Saite abgegeben werden kann, ist ähnlich lang. Dagegen ist nicht nur die Beschleunigung des Anschlags größer, sondern auch rauer. Das erklärt warum kräftigere Anschläge mehr Obertöne haben und sich dadurch nicht nur deutlich lauter, sondern auch anders anhören. Schaut Euch an wie stark der Hammerkopf während der 2,5 Millisekunden in sich schwingt! Ist das nicht faszinierend?!