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Episode 2: Von der Taste zum Ton!

Die Tastenlänge

Elfenbein KlaviaturEs gibt solche kleinen Details, die erst einmal gar nicht weiter auffallen. Sind sie jedoch einmal im Bewusstsein werden diese Kleinigkeiten bedeutsam. Mir sind in diesem Zusammenhang einige solcher Details in den Sinn gekommen. Anhand 10 kleiner Episoden verfolgen wir den Impuls vom Finger durch den Flügel bis ins Ohr.

Der Musizierende sieht zunächst nur den vorderen Teil der Tasten. Dieser ist einigermaßen normiert und nimmt keine Rücksicht darauf ob eine kleine Kinderhand oder eine große, kräftige Pianistenhand die Tasten bespielen möchte. Somit scheint es einem zunächst als seien die Tasten immer gleich lang. Was man nicht sieht, hinter der Tastenklappe geht die Taste weiter.

Sie leitet dort wie eine Wippe den Impuls des Anschlags an die Mechanik weiter. Nun ist es leicht nachvollziehbar, dass ein kleiner Flügel nur Platz für eine kurze und ein Konzertflügel Raum für eine lange Taste hat. Da man mit dem Hammer die Saite an einer speziellen Stelle, z.B. 1/8 der Saitenlänge, anschlagen möchte, richtet sich die Tastenlänge grob nach der Flügellänge und der gewünschten Basssaitenlänge. Das heißt, möchte man in einem kleinen Flügel eine dennoch möglichst lange Bass-Mensur realisieren, bleibt nicht mehr viel Platz für eine vernünftige Tastenlänge. Oder eben andersherum: Möchte man einem kleinen Flügel ein gutes Spielwerk angedeihen lassen, müssen die Saiten zusätzlich verkürzt werden. So wurde das zum Beispiel bei den kleinen 180 cm Ibach-Flügeln umgesetzt. Man erkennt deutlich das zusätzliche Distanzstück zwischen Kämpfer und Gussplatte bzw. die sehr kurze, schwingende Basssaitenlänge. Ibach schafft es so in den kleinen 180er Flügel die gleiche Tastenlänge wie im 200 cm Modell unterzubringen. Wir wissen ja wie entscheidend eine längere Basssaite den Klang verbessert, gerade bei kleinen Flügeln. Der 180 cm Ibach hat in etwa die Mensur des kleinen Geschwisterchens mit 160 cm. Warum sollte man die Mensur derart verkürzen, nur um die Taste zu verlängern?

Am Rande sei angemerkt, dass sich der Mensur-Kompromiss kaum negativ auf den Klang auswirkt. Der Flügel kann klanglich durchaus mit anderen 180 cm Flügel mithalten.
Nun kommen wir auf die „Warum-Frage“ zurück: Erstens kann der Klavierherstellen so in zwei verschiedene Flügelmodelle das gleiche Spielwerk einbauen. Dies vereinfacht die Logistik und spart Geld. Viel entscheidender aber ist, dass Ibach so ein Spielwerk realisiert, welches in dieser Qualität in der 180 cm Klasse den Spielkomfort eines Profiflügels bietet. Warum ist das so?

Nun wenn wir die Taste als Wippe betrachten, so gilt grob die Regel: vorne 1 cm Tastentiefgang und hinten 0,5 cm Hub am Pilotpunkt unter dem Hebeglied - vorne runter, hinten hoch. Die Taste dreht sich also um den Wipppunkt am Waagebalken. Wie verhält sich das auf das Spielgefühl? Nun da ja der anspielbare Bereich der Tasten konstant ist, ist man mit den Fingerspitzen, wenn man eine kurze Taste hinten anspielt, schon sehr nahe am Drehpunkt der Taste. Wenn nun die Taste vorn weiterhin 1 cm Tastentiefgang hat, sind es hinten nur etwa 3,5 mm. So kann schwerlich ein angenehm gleichmäßiges Spielgefühl umgesetzt werden. Bei einem Konzertflügel kommt man immerhin auf ca. 6 mm. Das kling nicht nach einem großen Unterschied aber im Spielgefühl macht sich das deutlich bemerkbar.

Eine Lange Taste ist aber nicht nur von Vorteil. Ab einer gewissen Länge macht sich die geringere Steifigkeit bei kräftigen Anschlägen bemerkbar. Die Taste biegt sich in der Beschleunigungsphase minimal durch und erschwert so eine präzise Kraftübertragung. Zusätzlich machen sich die Masse der Taste und der Ausgleichsbleie bei langen Tasten und großen Beschleunigungen durch ihre Masseträgheit deutlich bemerkbar. Dem Physiker ist das als Satz von Steiner bekannt. Hinsichtlich des Trägheitsmoments geht der Abstand der Bleimassen zum Drehpunkt quadratisch in die Berechnung ein. Dass heißt verdoppelt man den Abstand einer Masse zum Drehpunkt, vervierfacht sich das Trägheitsmoment. Der Praktiker merkt schnell, dass eine lange schwere Taste nicht so gut repetiert wie eine etwas leichtere oder kürzere.

Damit nicht genug! Nur einige der Tasten laufen gerade nach hinten. Im Bass sind die Tasten etwas nach links, im Diskant etwas nach rechts verschränkt. Dieses notwendige Übel erzeugt ein Drehmoment der Taste, welches von den Tastengarnierungen kompensiert werden muss. Höhere Reibung und Verschleiß ist die Folge. Die Verschränkung wiederum hängt auch von der Flügel-/Tastenlänge ab.

Viele Auswirkungen also, die dieser simplen Eigenschaft der Taste folgen. Ein Patentrezept für die beste Länge gibt es nicht, aber vielleicht schärft das Wissen darüber die Wahrnehmung beim Spielen unterschiedlich großer Flügel und persönliche Vorlieben gibt es natürlich schon. Viel Spaß beim Ausprobieren!